Geduldig schieben die Kinder ihre Seifenkisten aus dem Fahrerlager zur Rampe, die mitten auf dem Bäckerberg im Schönwalder Germanenweg aufgebaut wurde. Es ist Samstag, der 8. Juli. Bereits zum 9. Mal laden Bernd Mahnke und seine Mitstreiter vom VROOM!! Team Havelland e.V. (www.vroom-online.net) zum traditionellen Seifenkistenrennen ein.
Der Germanenweg ist bereits seit dem Vortag gesperrt, in der ganzen Umgebung ist kein freier Parkplatz mehr zu finden und die Zuschauer stehen dicht gedrängt an der 290 Meter langen und schnurgeraden Strecke, die die Seifenkisten gleich aus eigener Kraft und nur mit Lenkrad und Bremse ausgestattet bewältigen müssen.
Reinhold Ehl steht an der Rampe und hilft dabei, die Boliden des benzinlosen Rennsports in den „Fahrstuhl“ zu befördern. Mit dem motorisierten Fahrstuhl werden immer zwei Seifenkisten auf einmal nach oben auf die Rampe befördert. Von dort oben bekommen die Seifenkisten gleich noch einen Extrakick Geschwindigkeit, sobald von der Rennleitung am Fuß des Bäckerberges der symbolische Startschuss erfolgt ist.
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Wie so viele Helfer auf der Strecke ist auch Reinhold Ehl (69) an seinem grünen T-Shirt zu erkennen. Er gehört eigentlich zum Theater in der Scheune und zum Schönwalder Kreativ e.V.: „Ich bin von Anfang an als Helfer mit dabei, also seit neun Jahren. Warum? Weil hier ein Verein dem anderen hilft, wenn es darum geht, etwas Tolles auf die Beine zu stellen. Und außerdem macht es ja viel Spaß.“
Spaß macht es auch den vielen Kindern, die beim Seifenkistenrennen das Gefühl bekommen, bei einem temporeichen Autorennen den Formel-1-Piloten spielen zu können – übrigens immer mit Helm auf dem Kopf. Zwischen 8 und 12 Jahren dürfen die Fahrer in der Junior-Klasse alt sein. Und zwischen 11 und 18 Jahren in der Senior-Klasse.
Bernd Mahnke, Vorstand im Verein und verantwortlich für die Rennleitung: „Zu uns kommen viele Seifenkistenteams aus Brandenburg, aus Berlin und aus den anderen Bundesländern. Wir haben aber auch 30 eigene Seifenkisten im Verein, die wir gern Kindern aus der Region zur Verfügung stellen können, die Lust auf ein Rennen haben. So können auch Kinder mitfahren, deren Eltern nicht die Möglichkeit haben, eine eigene Seifenkiste zu bauen. Meist geben diese Fahrer ihre Seifenkiste erst wieder frei, wenn sie zu alt oder zu groß geworden sind.“
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Im aktuellen Jahr haben sich 48 Fahrer angemeldet, 30 in der Juniorklasse und fünf in der Seniorklasse. 13 Fahrer haben sich für die Funklasse entschieden. Hier gibt es kein strenges Regelwerk für den Aufbau, die Maße und das Gewicht der Seifenkisten wie in den anderen Klassen. Stattdessen kommt es hier auf optische Kreativität und auf die technische Finesse beim Bauen an.
Bevor die erste Seifenkiste allerdings zu Tal brettern kann, kommt es zur Fahrerparade. Die Namen der Fahrer werden laut vorgelesen und über die verkabelten Lautsprecher am Rand der gesamten Strecke zu den Zuschauern getragen. Anschließend schreiten die Grid Girls die Strecke ab und schwenken riesige Rennfahnen. Die vier Girls heißen Diana, Jessi, Sassi und Tanja.
Zusammen sind sie die CrazZzy Blakers. Das ist eine Hip-Hop-Gruppe von der Spandauer Tanzschule Broadway, die bereits mehrere Meistertitel gewonnen hat. Ihr Tanztalent beweisen die vier hübschen Mädchen später auch in der Pause zur Mittagszeit. Passend zu lauter Musik zeigen sie einige ihrer preisgekrönten Choreografien – sehr zur Freude des Publikums.
Aufregend wird es im Probelauf. Alle Seifenkisten dürfen probeweise die Strecke hinuntersausen, um so den Untergrund kennenzulernen und um vielleicht noch die eine oder andere Anpassung am eigenen Boliden vorzunehmen. Tatsächlich sieht man kurz vor dem Start noch den einen oder anderen Team-“Mechaniker“ mit Schraubenzieher oder Zange hantieren.
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Auf der Rampe sprudelt jetzt das Adrenalin in den Adern der Kinder. Mit einem lauten „Plock“ schnellen die Bremskeile unter den Rädern der im 45-Grad-Winkel aufgebockten Seifenkisten zurück und die selbstgebauten Gefährte beginnen zu rollen. Schon bald zeigt sich, welche Kiste den besseren Start erwischt hat: Auf der langen Strecke bis hinunter zum Ziel können kleine Faktoren wie etwas mehr Gewicht oder ein hektisches Ruckeln am Lenkrad schnell für eine Wagenlänge Unterschied sorgen. Im Schnitt brauchen die Seifenkisten knapp 30 Sekunden bis ins Ziel.
Unten, am Fuß des Bäckerbergs, hat die Rennleitung ihre Computer direkt an der Strecke aufgebaut. Hier gibt es für die vielen Zuschauer, die von halb zehn in der Früh bis etwa 15 Uhr den Rennschlitten zuschauen, ein umfangreiches Vergnügungsprogramm. Es brutzeln Würstchen und Nackensteaks auf dem Grill, es gibt Softeis und Slushies, es werden Crêpes gebacken und es lassen sich Naschereien erwerben. Dicht umlagert von den Erwachsenen ist natürlich der Bierstand.
Das kulinarische Highlight vor Ort ist zweifelsohne der Kuchenbasar vom Förderverein der Freunde der Grundschule Schönwalde. Hier gibt es eine solch gewaltige Auswahl an gebackenen Leckereien, dass manche Kunden ihre Bestellung mit großen Tupper-Dosen in der Hand aufgeben – und zum kleinen Preis gleich das Kuchenbüffet für den Nachmittag mit der Familie besorgen. Für die Kinder, die nicht selbst in den Seifenkisten mitfahren, gibt es im Basiscamp eine Hüpfburg und verschiedene Ballaktionen der Schönwalder Dragons – das ist der lokale Fußballverein.
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Ein großes Plus beim Seifenkistenrennen ist der Zusammenhalt der Schönwalder, wenn es um ihr jährliches Vorzeigeevent geht. Oliver Beuchel wohnt direkt im Germanenweg. Er hilft im Organisations-Team mit und gehört der dreiköpfigen Jury für die Bewertung der Fun-Klasse an. Er sagt: „Als Anwohner spreche ich für alle Nachbarn: Wir haben kein Problem mit dem Seifenkistenrennen, sondern ganz im Gegenteil viel Spaß. Hier beschwert sich niemand über den Lärm oder darüber, dass wir anderthalb Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten sind und mit unseren Autos nicht bis zu unseren Grundstücken fahren können. Wir machen das gern.“
Das weiß auch Bernd Mahnke zu schätzen: „Es ist ein Traum mit dieser Nachbarschaft. Wir können vor Ort unsere Seifenkisten unterstellen und bekommen den Strom zur Verfügung gestellt, den wir brauchen. Außerdem räumen die Nachbarn vor dem Event die ganze Straße auf, damit auch wirklich alles schön ist. Aber auch über die Nachbarschaft hinaus ziehen alle an einem Strang. Viele lokale Firmen unterstützen uns mit Sponsorengeldern, ohne die wir das Event nicht stemmen könnten. Oder sie borgen uns zahlreiche Anhänger aus, ohne die sich die Seifenkisten nicht transportieren lassen.“
Vier Wertungsläufe gibt es übrigens in jeder Klasse. Das bedeutet, dass die Seifenkisten vier Mal nacheinander den Bäckerberg hinuntersausen, um anschließend mit Muskelkraft wieder hinaufgezogen zu werden. Zwischendurch sorgen Sandra Spengeler (21) und ihr Serviceteam für eine Gratisversorgung der Fahrer im Fahrerlager. Es gibt Softdrinks, aber auch aufgeschnittene Melonen. Sandra: „Am besten gehen aber immer die selbstgebratenen Buletten. Die waren bislang noch nach jedem Rennen alle.“
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Alle vier Wertungsläufe gelingen an einem wettermäßig nicht optimalen Sonnabend ohne Unfälle, Stürze und Blessuren. So steht der Siegerehrung am Ende nichts im Wege. Pokale gibt es für die ersten drei in jeder Klasse. Alle Teilnehmer nehmen aber Medallien und Urkunden mit nach Hause. Am Ende konnten vor allem die Mädchen punkten: Sie machten in allen drei Klassen den ersten Platz.
Sieger in der Junior-Klasse
1. Josephine Günsel von der Seifenkisten Rennvereinigung Berlin: 107.36 Sek.
2. Tela Moldenhauer vom Rote Kiste Bärenteam: 110.63 Sek.
3. Carlos Kaldun vom Racing Team Pankow: 112.97 Sek.
Sieger in der Senior-Klasse
1. Chayenne Knabe vom Bärenteam Berlin: 105.69 Sek.
2. Louis Bauer von der VKLT West GmbH: 111.78 Sek.
3. Levon Malige von rote Senior:
116.19 Sek.
Sieger in der Fun-Klasse
1. Lars und Charlotte Krüger aus dem Team Bollensdorf mit einer Schlemmerbox
2. Philippe Scheffler von EMA Immobilien mit dem Riesen-Haus
3. Tibor Lafery aus dem Team Bollensdorf mit dem rollenden Kontrabass.
Nach dem Ende des Seifenkistenrennens werden sogleich Pläne für das kommende Jahr aufgestellt. Ingo Nenn von der Falkenseer Maklerfirma EMA Immobilien: „Wir spenden unser rollendes Haus nun der Freiwilligen Feuerwehr in Schönwalde. Die werden es umbauen und zu etwas Eigenem machen. Wir fangen dann wieder bei Null an und werden für das kommende Jahr ein neues Fun-Modell entwerfen und bauen. Uns von der EMA macht der ganze Event jedes Jahr aufs Neue sehr viel Freude.“
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Viel Spaß haben vor Ort auch Yannik Dieker (17), Anton Prescher (18) und Luka Schiffer (17) vom Leonardo da Vinci Campus aus Nauen. Sie hatten ihr Fun-Mobil als Schulprojekt, dessen Materialien von der Schule bezahlt wurden, ganz regulär im Kunstunterricht gebaut. Natürlich hat das Team den Namen der Schule als Inspiration genommen und eine Flugzeugskizze von Da Vinci verwendet, um daraus eine Seifenkiste zu machen. Leider war sie aufgrund der „Flügel“ so breit, dass sie nicht ganz auf die Rampe passte – und so mit einem kleinen Extraschubs auf Kurs gebracht werden musste. Die Seifenkiste wird nun nach dem Ende des Laufs in der Schule ausgestellt.
Schönwaldes Bürgermeister Bodo Oehme nimmt am Ende des Rennens selbst den Schrauber in die Hand, um die Seitenbegrenzungen der Rennstrecke zurückzubauen. Er zieht zufrieden ein Resummee: „Das Seifenkistenrennen ist eine extrem angesagte Veranstaltung in Schönwalde. Alle arbeiten Hand in Hand, um das zu unterstützen. Nun hat einmal mehr der Schnellste gewonnen und alle hatten einen schönen Tag. Mein Dank gilt allen, die bei den Vorbereitungen geholfen haben, damit das Seifenkistenrennen wieder ein großer Erfolg wird.“ (Fotos / Text: CS)
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Der Beitrag Den Bäckerberg runter: 9. Schönwalder Seifenkistenrennen VROOM!! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.